Nachbarschaft bei Immobilien prüfen: So identifizieren Sie Lärmquellen vor dem Kauf
18 Dez
von Marlene Wiesner 0 Kommentare

Bevor Sie den Unterschriftsstift auf den Kaufvertrag legen, sollten Sie sich eine einfache Frage stellen: Lärm - ist das wirklich erträglich? Viele Käufer und Mieter merken erst nach dem Einzug, dass sie neben einer S-Bahn, einem 24-Stunden-Homeoffice oder einer Kirche wohnen, deren Glocken jede Viertelstunde schrillen. Und dann? Die Wohnung ist teuer, der Vertrag unterschrieben, und die Lärmquellen sind nicht mehr wegzukriegen. Dabei lässt sich fast alles vorher herausfinden - wenn man weiß, wie und wann man hinschaut.

Wann Sie wirklich hören, was später stört

Eine Besichtigung am Dienstagmorgen um 11 Uhr ist fast nutzlos. Zu dieser Zeit ist alles ruhig. Die Kinder sind in der Schule, die Nachbarn im Büro, der Müllwagen noch nicht da. Doch der wahre Lärm kommt, wenn andere schlafen oder arbeiten. Experten empfehlen mindestens drei Besichtigungstermine: morgens, mittags und abends - und einmal nachts. Eine Studie des Mieterbundes aus 2022 zeigt: Wer nur einmal kommt, erkennt nur 38 Prozent der Lärmprobleme. Wer drei Mal kommt, erkennt 89 Prozent.

Probieren Sie es selbst: Gehen Sie um 22 Uhr zur Wohnung, stellen Sie sich ans Fenster, machen Sie die Augen zu und hören Sie. Was kommt durch die Wände? Ein dumpfes Dröhnen? Ein leises Summen? Ein plötzliches Krachen? Das ist nicht nur unangenehm - das ist ein Warnsignal. Laut dem Umweltbundesamt sind in Deutschland 8,6 Millionen Menschen tagtäglich über den gesetzlichen Lärmgrenzwerten belastet. Und wer das spät merkt, zahlt den Preis - in Form von Schlafstörungen, Stress oder Mietminderungsklagen.

Was ist ein akzeptabler Lärmpegel?

Die Zahlen klingen trocken, aber sie entscheiden über Ihre Lebensqualität. Tagsüber dürfen Lärmquellen in Wohngebieten laut Bundesimmissionsschutzverordnung nicht über 55 dB(A) liegen - das ist etwa der Lärm eines laufenden Staubsaugers. Nachts ist der Grenzwert bei 45 dB(A), also so laut wie ein leises Gespräch. Doch die Gerichte gehen oft noch strenger: Das Landgericht Kleve und Berlin haben entschieden, dass nachts 30 dB(A) nicht überschritten werden dürfen - das ist der Wert eines Flüsterns. Ein vorbeifahrender PKW bringt schon 75 dB(A), ein Lastwagen 80 dB(A). Ein Haartrockner? 70 dB(A). Und ein elektrisches Handschleifgerät? 90 dB(A). Das ist nicht nur laut - das ist gesundheitsschädlich, wie die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) bestätigt.

Wenn Sie einen Schallpegelmesser haben, messen Sie. Ein einfaches Gerät wie der Cadrim CL-10 kostet unter 80 Euro und misst genau. Oder nutzen Sie eine kostenlose App - sie ist nicht perfekt, aber sie zeigt, ob es sich um einen leichten Hintergrundlärm oder einen störenden Dauerlärm handelt. Wenn Sie nachts mehr als 40 dB(A) messen, sollten Sie nachfragen. Warum? Weil das Amtsgericht Berlin schon einmal 10 Prozent Mietminderung zugesprochen hat, weil ein Mieter das Urinieren des Nachbarn durch die Wand hörte. Lärm ist kein Kleinigkeitsproblem. Es ist ein Mangel, der rechtlich geltend gemacht werden kann.

Die häufigsten Lärmquellen - und wo sie versteckt sind

Laut Statistischem Bundesamt sind 63 Prozent der Lärmprobleme im Wohnbereich auf Straßenverkehr zurückzuführen. Aber das ist nicht die einzige Quelle. 22 Prozent kommen von Nachbarn - und das sind oft die schwersten Fälle. Warum? Weil sie unvorhersehbar sind. Ein Nachbar mit Homeoffice, der täglich von 8 bis 18 Uhr Videokonferenzen hat, ist ein Risiko. Das Amtsgericht Hamburg hat 2021 entschieden: Homeoffice-Lärm ist bis 13 Uhr noch zumutbar, ab 18 Uhr nicht mehr. Und wenn der Nachbar um 20 Uhr mit einem Staubsauger durch die Wohnung fährt? Das ist kein „normaler“ Lärm - das ist eine Belastung.

Andere versteckte Quellen: Kirchenglocken. Sie klingen friedlich - bis sie alle 15 Minuten schrillen. Ein Mieter in Hamburg bekam 15 Prozent Mietminderung, weil die Glocken seine Kinder wach hielten. Oder die nächtliche Müllabfuhr - besonders in engeren Innenstadtvierteln. Oder Straßenbahnen, die durch die Straße fahren, während Sie schlafen. Und dann gibt es noch die neuen Störenfriede: Smart-Home-Geräte. Laut der Deutschen Gesellschaft für Akustik (DEGA) senden Alexa, Google Home oder intelligente Thermostate hochfrequente Signaltöne, die bis zu 12 dB störender wirken als ein herkömmlicher Kühlschrank. Diese Geräusche hören Sie nicht bewusst - aber Ihr Körper registriert sie. Und das führt zu Stress, Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen.

Käufer notiert Lärmpegel in einem Wohnzimmer mit Sicht auf ein Homeoffice des Nachbarn am Abend.

Altbau vs. Neubau: Was schützt wirklich?

Einige glauben, dass neue Wohnungen besser sind. Das stimmt nicht immer. Eine Untersuchung der TU München aus 2022 zeigt: Altbauwohnungen in ruhigen Vierteln haben durchschnittlich 42 dB(A) Lärmpegel. Neubauwohnungen an der Stadtgrenze? 51 dB(A). Warum? Moderne Gebäude haben oft große Glasflächen, schlechte Dämmung und dünne Wände. Prof. Dr. Thomas Krick von der TU Berlin sagt: „Moderne Gebäude mit großen Glasflächen haben eine um 15 dB schlechtere Schalldämmung als klassische Altbauwohnungen.“ Das bedeutet: Ein Fenster, das heute als modern gilt, kann morgen Ihr größter Lärmkanal sein.

Altbauwohnungen haben dicke Ziegelwände, hohe Decken, kleine Fenster - und oft eine bessere Schalldämmung. Aber Achtung: Nicht alle Altbauten sind gleich. Ein Haus aus den 1920ern mit Einzelfenstern und Holzrahmen ist besser als ein Altbau aus den 1970ern mit einfachverglasten Fenstern. Prüfen Sie: Sind die Fenster doppelt verglast? Ist die Fassade gedämmt? Haben die Türen Dichtungen? Wenn nicht, dann ist die Wohnung ein Lärmfänger - egal wie alt sie ist.

Was Sie vor dem Vertragsabschluss tun müssen

Sie wollen keine Fehler machen? Dann folgen Sie diesem einfachen Plan:

  1. Fenster prüfen: Lassen Sie die Fensterdichtungen von einem Schreiner prüfen. Ein Undichtigkeitstest kostet ab 75 Euro - aber er spart Ihnen Tausende. Undichte Fenster sind die Hauptursache für Straßenlärm.
  2. Mindestens drei Besichtigungstermine machen: Morgen, Mittag, Abend, Nacht. Nehmen Sie sich mindestens 45 Minuten pro Termin. Nutzen Sie die Zeit: Notieren Sie, was Sie hören - nicht nur „Lärm“, sondern „Kinder schreien um 17:30 Uhr“, „Müllwagen kommt um 05:45 Uhr“, „Glocken läuten jede Viertelstunde“.
  3. Führen Sie ein Lärmprotokoll: Notieren Sie Datum, Uhrzeit, Art des Lärms, Dauer und Ihre Reaktion. „Kinder konnten nicht schlafen“, „Konzentration ging verloren“, „Herz raste“. Diese Notizen sind Ihr Beweis, wenn Sie später Mietminderung verlangen.
  4. Prüfen Sie die Nachbarschaft: Gehen Sie raus. Ist ein Gewerbebetrieb im Haus? Ein Fitnessstudio? Eine Werkstatt? Ein Laden mit Lautsprechern? Das ist kein „kleiner“ Lärm - das ist ein Dauerstressor.
  5. Verlangen Sie eine Klausel im Vertrag: Der Bundesgerichtshof hat 2022 entschieden: Mangelhafte Lärmdämmung ist ein Mangel, der bereits vor Vertragsabschluss existiert. Fordern Sie schriftlich, dass die Wohnung „schallgedämmt“ ist. Wenn der Vermieter oder Verkäufer ablehnt, laufen Sie weg.
Vergleich von Altbau und Neubau: ruhige, gedämmte Wohnung links, laute, störende Geräusche rechts.

Was passiert, wenn Sie es nicht tun?

Die Zahlen sind erschreckend: 68 Prozent der Käufer, die Lärmprobleme nach dem Einzug hatten, hatten keine Nachtbesichtigung gemacht. 74 Prozent der Mieter gaben an, vor dem Vertragsabschluss nicht genug auf Lärm geachtet zu haben. Und 58 Prozent davon haben später Mietminderung beantragt - mit Erfolg. Doch die Mietminderung ist kein Gewinn. Sie ist ein Kompromiss. Sie haben immer noch Lärm. Sie haben Stress. Sie haben Rechtskosten. Und Sie haben einen Ort, an dem Sie nicht mehr ruhig sein können.

Und der Wert Ihrer Immobilie? Laut einer Studie der Steinbeis-Hochschule Berlin sinkt der Wert bei Lärmpegeln über 65 dB(A) um 12 bis 18 Prozent. In München sanken die Preise entlang der neuen U-Bahn-Linie U3 um 7,3 Prozent. Lärm ist kein ästhetisches Problem. Es ist ein wirtschaftliches Problem. Wer heute nicht auf Lärm achtet, verliert morgen Geld - und Lebensqualität.

Was kommt in den nächsten Jahren?

Die Zukunft macht es nicht leichter. Das Bundesministerium für Wohnen hat seit 2023 neue Regeln für Homeoffice-Lärm eingeführt. Die Zahl der Homeoffice-Nutzer steigt - und damit auch die Lärmquellen. Die Deutsche Bundesbank prognostiziert: Bis 2030 wird der Lärm durch Lieferverkehr und Homeoffice um 15 Prozent zunehmen. Gleichzeitig verbessern sich die Bauvorschriften nur um 8 Prozent. Das heißt: Die Lücke wird größer. Wer heute nicht aufpasst, wird morgen mit einem Problem leben, das teuer und schwer zu lösen ist.

Die gute Nachricht? Sie können es verhindern. Mit drei Besichtigungen. Mit einem Lärmprotokoll. Mit einem einfachen Messgerät. Mit einem klaren Nein zu einer Wohnung, die zu laut ist. Lärm ist kein Teil des Lebens - er ist eine Belastung. Und Sie haben das Recht, ihn zu vermeiden.

Wie lange sollte eine Lärm-Besichtigung dauern?

Experten empfehlen mindestens 45 Minuten pro Tageszeit - morgens, mittags, abends und nachts. Viele Käufer verbringen nur 17 Minuten pro Besichtigung - das reicht nicht, um versteckte Lärmquellen wie nächtlichen Müllverkehr, Kirchenglocken oder Homeoffice-Geräusche zu erkennen.

Darf ich einen Schallpegelmesser bei der Besichtigung verwenden?

Ja, und Sie sollten es tun. Ein einfaches Gerät wie der Cadrim CL-10 kostet unter 80 Euro und misst Lärm in dB(A). Sie können es ruhig vorzeigen - viele Vermieter und Makler verstehen das als professionelle Vorgehensweise. Messwerte über 40 dB(A) nachts oder 55 dB(A) tagsüber sind Warnsignale.

Was ist ein Lärmprotokoll und warum brauche ich es?

Ein Lärmprotokoll ist eine schriftliche Aufzeichnung von Lärmereignissen mit Datum, Uhrzeit, Art des Lärms und Ihrer Reaktion (z. B. „Kinder konnten nicht schlafen“). Es ist der entscheidende Beweis, wenn Sie später Mietminderung oder Schadensersatz verlangen. Rechtsanwälte wie Dr. Markus Mauss bestätigen: Ohne Protokoll haben Sie kaum Chancen vor Gericht.

Kann ich Mietminderung verlangen, wenn der Lärm erst nach dem Einzug auffällt?

Ja. Der Bundesgerichtshof hat 2022 entschieden, dass mangelhafte Lärmdämmung bereits vor Vertragsabschluss ein Mangel ist. Wenn Sie ein Lärmprotokoll haben und nachweisen können, dass der Lärm über den gesetzlichen Grenzwerten liegt, können Sie Mietminderung verlangen - sogar wenn Sie den Lärm erst nach dem Einzug bemerkt haben.

Sind Neubauwohnungen immer leiser als Altbauten?

Nein. Eine TU-München-Studie aus 2022 zeigt, dass Altbauwohnungen in ruhigen Vierteln im Durchschnitt nur 42 dB(A) haben - Neubauwohnungen in Randlagen dagegen 51 dB(A). Moderne Glasfassaden und dünne Wände führen oft zu schlechterer Schalldämmung. Altbau ist nicht automatisch laut - es hängt von der Bauweise und Lage ab.

Marlene Wiesner

Marlene Wiesner

Ich bin Tischlerin mit über 20 Jahren Erfahrung und spezialisiere mich auf Innentüren. Neben meiner handwerklichen Tätigkeit schreibe ich leidenschaftlich gerne über meine Projekte und teile Tipps und Tricks.

Tischlerei Innentüren Einblick