Schon mal Stress mit dem Vermieter gehabt, weil angeblich „alles abgewohnt“ ist? Man gibt die Wohnung zurück, der Vermieter schaut sich knapp die Wand an, schiebt die Brille hoch und schüttelt wortlos den Kopf. Angeblich muss alles neu gemacht werden. Doch was heißt eigentlich „abgewohnt“? Klingt schwammig, sorgt aber immer wieder für Ärger – besonders bei der Wohnungsübergabe. Fakt ist: Kein Gesetz liefert eine klare Definition, wann eine Wohnung als abgewohnt gilt. Aber: Viele Streitigkeiten landen trotzdem vor Gericht und es gibt tatsächlich handfeste Kriterien. Gerade Mieterinnen und Mieter sollten den Unterschied zwischen üblichen Gebrauchsspuren und wirklichen Mängeln kennen, um nicht unnötig blechen zu müssen.
Der Begriff „abgewohnt“ klingt zunächst nach hässlichen Teppichen und abgerockten Tapeten, aber rechtlich gibt es keine eindeutige Schwarz-Weiß-Regel. Vom Gesetzgeber kommt lediglich die Erwartung, dass eine Mietwohnung „zum Bewohnen geeignet“ sein muss (§ 535 BGB). Was heißt das praktisch? Nach einigen Jahren entstehen zwangsläufig Abnutzungen – selbst bei achtsamer Nutzung. Der Gesetzgeber unterscheidet hier klar zwischen normalen Abnutzungen und außergewöhnlichen Beschädigungen.
Gerichte, wie das Landgericht Berlin oder der Bundesgerichtshof, haben in Urteilen Beispiele festgelegt. Eine Wohnung gilt als abgewohnt, wenn Gebrauchsspuren ein Maß erreicht haben, dass sie als „nicht mehr wohnlich“ einzustufen ist oder ihre Zweckbestimmung verloren hat. Das bedeutet: Kratzer im Parkett durch normale Nutzung? Kein Problem. Mal ein Fleck auf der weißen Wand? Passiert halt. Durchgerockte Türen, starke Nikotinverfärbungen oder großflächig abblätternde Tapeten? Da wird es brenzlig.
Noch ein wichtiger Punkt: Natürlich darf ein Vermieter nicht erwarten, nach 10 Jahren noch die makellose Traumwohnung zurück zu bekommen. Das wäre absurd. Die Dauer der Mietzeit spielt eine große Rolle. Nach langjährigem Gebrauch sehen Räume eben nicht mehr wie neu aus. Laut BGH-Urteil aus dem Jahr 2020 (VIII ZR 277/16) sind deutliche Spuren jahrelanger Nutzung im Prinzip als „abgewohnt“ einzuordnen, etwa wenn Böden abgelaufen oder Wände unschön gefärbt sind. Wirklich entscheidend bleibt, ob die Wohnung deshalb unbenutzbar wird – das heißt, ob sie noch bewohnbar ist oder eben nicht.
Woran erkennt man denn überhaupt, ob die Wohnung noch im Rahmen des Normalen ist oder wirklich als „abgewohnt“ durchgeht? Die Übergabeprotokolle, die bei Einzug und Auszug gemacht werden, sind Gold wert. Sie helfen, echte Gebrauchsspuren von Schäden abzugrenzen. Hier einige konkrete Zeichen:
Wichtig zu wissen: Normale Gebrauchsspuren sind eigentlich immer erlaubt und gehen zu Lasten des Vermieters. Wer zwei Jahre lang mit Socken durch die Wohnung schlurft, wird die Böden nicht völlig verschonen können. Aber grobe Schäden, etwa große Brandlöcher im Teppich, gehen eben nicht als „normal“ durch und können teuer werden. Fiese Fallen entstehen auch, wenn z. B. ein Kind mit Filzstiften an die Wand malt oder versehentlich ein Haken aus der Tür gerissen wird—that’s life, aber dafür haftet dann meist doch der Mieter.
Stark abgewohnte Wohnungen können sogar nach einem langen Mietverhältnis noch als bewohnbar durchgehen, solange sie sauber gemacht werden. Juristen sprechen hier von „vertragsgemäßem Gebrauch“. Das heißt: So lange die Mietsache ansonsten in Ordnung ist, wird der Standard „wie am ersten Tag“ eben nicht eingefordert.
Jetzt mal Butter bei die Fische: Immer wieder wird bei der Wohnungsrückgabe mit dem Begriff „abgewohnt“ Schindluder getrieben. Viele werden zur teuren Schönheitsreparatur gedrängt, obwohl sie nicht müssten. Der Klassiker: Der Mietvertrag verlangt, dass der Mieter die Wohnung „renoviert“ übergeben muss. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dazu aber mehrfach geurteilt. Beispiel: Eine Wohnung, die beim Einzug schon abgewohnt war, muss beim Auszug nicht vom Mieter vollständig renoviert werden (BGH, Urteil VIII ZR 185/14, aus 2015).
Ist die Wohnung in ordentlichem Zustand übernommen worden, gibt es aber oft Klauseln zur Renovierung. Der BGH erklärte viele dieser Regelungen für unwirksam, wenn sie den Mieter zu starren Fristen verpflichten (z. B. alle drei Jahre streichen). Stattdessen wird immer geschaut: Ist die Wohnung wirklich renovierungsbedürftig? Durchschnittliche Abnutzung reicht aus. Ein über Jahrzehnte kaum gestrichener Raum, in dem Tapeten schon abblättern oder das Weiß auf der Wand eher als „Beige-Grau-Aquarell“ durchgeht, gilt als abgewohnt und kann eine Renovierung durch den Mieter auslösen. Aber eben nur, wenn die Klausel im Mietvertrag wirksam ist.
Will der Vermieter unnötige Arbeiten? Dann hilft ein Hinweis auf BGH-Urteile, die alles Vereinbarte kritisch prüfen: Besonders starre Renovierungsklauseln oder unlogische Forderungen (zum Beispiel, wenn Bodenbeläge nach sieben Jahren erneuert werden sollen, ohne Schäden zu haben). Immer cool bleiben und notfalls Hilfe vom Mieterverein holen.
Kriterium | Zählt als normaler Gebrauch | Zählt als abgewohnt |
---|---|---|
Kleinere Kratzer im Parkett | Ja | Nein |
Fettflecken in Küche | Ja | Nur bei extremem Befall |
Verfärbte Wände nach 10 Jahren | Ja | Nein |
Schweren Nikotinflecken/Tapetenschäden | Nein | Ja |
Schimmel durch falsches Lüften | Nein | Ja |
Stark abgenutztes Bad nach 15 Jahren | Ja | Nur bei Totalschaden |
Du willst beim Auszug keinen Ärger? Dann zuerst: Protokoll machen! Mach beim Einzug Fotos, notier alle Macken im Übergabeprotokoll und lass alles vom Vermieter gegenzeichnen. So landest du gar nicht erst in der Streitfalle „Wohnung abgewohnt“.
Kleine Gebrauchsspuren einfach erklären und freundlich zeigen, dass keine mutwillige Zerstörung vorlag. Klar ist: Frische Farbe oder nagelneue Tapeten kann niemand fordern, wenn der normale Alltag eben Spuren hinterlässt. Viele Vermieter akzeptieren eine „abgewohnte“, aber saubere Wohnung ohne großes Gemecker—zumal neue Mieter sowieso häufig wieder anders dekorieren wollen. Fun Fact: In einer Umfrage der LEG NRW (2024) gaben 62 % der Befragten an, dass sie die abgewohnte Optik bei Einzug nicht gestört hat, solange die Wohnung sauber war.
Mal ehrlich: Manchmal wollen Vermieter beim Auszug einfach ein bisschen was rausholen. Mehr Kaution, mehr Reparaturen, mehr Frischgeld. Aber was schauen sie sich wirklich an? Die Klassiker: Sauberkeit in Bad und Küche, Zustand von Boden und Wänden und vor allem: Funktioniert alles? Steckdosen, Fenster, Licht—all das muss in Ordnung sein, egal, wie „abgewohnt“ die Wohnung optisch wirkt.
Werden Schäden gefunden und du hast kein Protokoll, kann’s teuer werden. Tipp: Wer Unsicherheiten vermeiden will, kann einen Übergabe-Check von Profis machen lassen. Einige Hausverwaltungen bieten sowas schon für kleines Geld an. Wer bereits bei Einzug Schwächen dokumentiert hat, steht besser da. Und jetzt mal ganz ehrlich: Akzeptiert wird meistens der ganz normale „Lebensspuren-Look“, solange die Wohnung sauber und frei von echten Schäden oder Gefahrenquellen (Stichwort Schimmel, kaputte Elektrik, lose Fliesen) ist.
Mietrechtsexperten und Verbraucherschutzzentralen empfehlen: Im Zweifel einfach selbst renovieren, wenn man ein gutes Gefühl dabei hat – oder wenigstens die schlimmsten „Überbleibsel“ (z. B. Wandmalerei à la Picasso). Wer es auf die Spitze treibt, riskiert böse Briefe nach ein paar Wochen. Dann kann sogar ein Gutachten verlangt werden, das aber meist keine unbegründeten Forderungen bestätigt. Der häufigste Fehler bleibt: Keine Beweise zu haben. Einfach vorher alles dokumentieren!
Abgewohnt oder nicht? Das bleibt wohl der Dauerbrenner beim Auszug. Wer weiß, wie Gerichte und Vermieter ticken, bewahrt Nerven – und am Ende auch das Geld für den nächsten Umzug in die „noch-nicht-abgewohnte“ Traumwohnung.