Stellen Sie sich vor: Sie haben Ihr Haus saniert - neue Dachziegel, moderne Fenster, eine Wärmepumpe. Alles perfekt. Doch dann kommt der Schaden: ein Sturm bricht das Dach, Wasser läuft durch die neue Isolierung, und plötzlich ist Ihr Haus teilweise unbewohnbar. Sie rufen Ihre Versicherung an - und bekommen zu hören: "Wir zahlen nur 67 % der Kosten." Warum? Weil Ihre Versicherungssumme noch auf den Zustand vor der Sanierung basiert. Das ist kein Einzelfall. Laut DSL Bank sind 62,4 % der deutschen Hausbesitzer nach einer Sanierung unterversichert. Das bedeutet: Im Ernstfall zahlt die Versicherung nicht den vollen Neubauwert, sondern nur einen Bruchteil. Und der Rest bleibt auf Ihnen haften.
Nach dem Versicherungsvertragsgesetz (§ 97 VVG) gilt jede Sanierung, die den Wert Ihrer Immobilie erhöht, als "Gefahrenerhöhung". Das ist kein juristischer Trick - das ist Gesetz. Ob Sie eine neue Heizung einbauen, die Fassade dämmen oder eine Terrasse anbauen: Wenn der Neubauwert steigt, müssen Sie das Ihrer Versicherung binnen 14 Tagen mitteilen.
Warum? Weil die Versicherung Ihr Risiko neu bewerten muss. Ein Haus mit moderner Elektrik und besserer Dämmung ist nicht nur wertvoller - es ist auch anders gefährdet. Und die Versicherung muss wissen, was sie absichert. Wer das nicht meldet, verliert im Schadensfall seinen Anspruch. Die Deutsche Schadenshilfe bestätigt: 63 % der Streitfälle nach Sanierung wurden zugunsten der Versicherer entschieden - weil die Versicherten ihre Pflicht zur Meldung ignoriert hatten.
Die meisten Versicherer verwenden den Wohnflächentarif: Sie multiplizieren die Wohnfläche mit einem festen Betrag pro Quadratmeter. Aktuell liegt dieser zwischen 2.500 und 3.000 Euro, je nach Region und Bauart. Das klingt einfach - aber es ist trügerisch.
Ein Haus mit 120 Quadratmetern Wohnfläche hat laut diesem Modell einen Neubauwert von 300.000 bis 360.000 Euro. Aber was, wenn Sie eine zusätzliche Dachgeschosswohnung ausgebaut haben? Oder eine neue Garage gebaut haben? Oder eine komplette Kellerisolation durchgeführt haben? Diese Flächen fließen nicht immer vollständig in die Berechnung ein. Prof. Dr. Sabine Lorenz von der Frankfurt School warnt: Balkone und Terrassen werden oft nur zu 50 % angerechnet. Das führt zu systematischen Unterdeckungen von durchschnittlich 7,2 %.
Besser: Der Neubauwert wird exakt nach den aktuellen Baupreisen berechnet. Das ist aufwendiger - und kostet 150 bis 500 Euro für ein Sachverständigengutachten - aber es ist die einzige Methode, die wirklich sicher ist. Wer nur auf den Wohnflächentarif setzt, spielt mit Feuer.
Es geht nicht nur um die Summe. Sie müssen mindestens drei Dinge überprüfen:
So gehen Sie vor - Schritt für Schritt:
Ein professioneller Versicherungscheck kostet durchschnittlich 185 Euro. Ein Sachverständigengutachten etwa 300 Euro. Klingt viel? Vergleichen Sie das mit dem, was passiert, wenn Sie nichts tun.
Ein durchschnittlicher Schadensfall nach Unterdeckung kostet 14.300 Euro Eigenanteil. Das ist nicht der Preis für eine neue Dachdeckung - das ist der Preis für einen ganzen Wohnbereich, der nicht repariert werden kann, weil die Versicherung nicht zahlt. Und das ist kein Extremfall. Es passiert jeden Tag.
Und dann gibt es noch die Bauherrenhaftpflichtversicherung. Wenn Ihre Sanierung über 20.000 Euro kostet, brauchen Sie sie. Die private Haftpflicht deckt nur kleine Reparaturen ab. Bei größeren Projekten ist sie wertlos. Laut Bund der Versicherten sollten 92 % der Sanierer diese Police haben - aber nur 38 % haben sie.
Altbauten vor 1977 sind ein Risiko. Nicht nur für die Versicherung - auch für Sie. Laut Verivox lehnen Versicherer bei 37 % der Sanierungen in solchen Häusern die Anpassung ab - besonders bei Elektro- oder Heizungsmodernisierungen. Warum? Weil sie nicht wissen, ob die neuen Anlagen mit der alten Bausubstanz kompatibel sind.
Die Lösung? Lassen Sie einen Sachverständigen prüfen, ob die Modernisierung den Anforderungen entspricht. Und bringen Sie den Prüfbericht mit. Das erhöht die Chancen auf eine Zusage. Einige Versicherer wie die SparkassenVersicherung bieten sogar digitale Upload-Tools an - da können Sie alle Unterlagen einfach hochladen.
Seit Januar 2023 gibt es den KfW-Sanierungsbonus: Wenn Sie energetisch sanieren - also Dämmung, Fenster, Heizung - dann können Sie eine kostenfreie Anpassung Ihrer Versicherungssumme beantragen. Bis September 2023 wurden bereits 18.450 Anträge gestellt.
Auch die Versicherer rüsten auf. SparkassenVersicherung und Allianz bieten KI-gestützte Tools an, die aus Ihren Sanierungsunterlagen automatisch den neuen Neubauwert berechnen. Die Gothaer Versicherung hat eine digitale Checkliste mit 23 Punkten entwickelt - und damit den Fehleranteil bei der Anpassung um 62 % reduziert.
Die GDV plant bis Ende 2024 standardisierte Sanierungsklassen - damit es keine Unsicherheiten mehr gibt, was als "Gefahrenerhöhung" gilt. Das wird die Prozesse einfacher machen. Aber bis dahin: Machen Sie es selbst richtig.
Wenn Sie in den letzten zwei Jahren Ihr Haus saniert haben - und noch nicht geprüft haben, ob Ihre Versicherung passt - dann ist jetzt die Zeit. Machen Sie es nicht wie der Nutzer auf Reddit, der erst nach einem Dachschaden erfuhr, dass seine Versicherungssumme nicht angepasst war. Er hatte 25.000 Euro Eigenleistung investiert - und bekam nur 67 % zurück.
Prüfen Sie Ihre Versicherungsurkunde. Vergleichen Sie den dort stehenden Neubauwert mit dem, was Ihr Haus heute wert ist. Rufen Sie Ihre Versicherung an. Fragen Sie: "Haben wir die Gefahrenerhöhung gemeldet? Ist die Summe aktuell? Sind Elementarschäden mitversichert?" Ein Versicherungscheck nach Sanierung ist kein lästiges Papierkram. Er ist die Absicherung Ihres größten Vermögens. Und er kostet weniger als eine neue Küchenzeile - aber schützt Sie vor einem Verlust, der Ihr ganzes Leben verändern könnte.