Statik-Bericht bei Immobilien: Wann ist er wirklich notwendig?
15 Dez
von Marlene Wiesner 0 Kommentare

Ein Statik-Bericht ist kein Luxus - er ist die Grundlage dafür, dass Ihr Haus nicht einstürzt. Viele Bauherren glauben, er sei nur für große Gebäude oder komplexe Umbauten nötig. Das ist ein gefährlicher Irrtum. Schon bei einem einfachen Einfamilienhaus, wenn Sie eine Wand durchbrechen oder ein Dachgeschoss ausbauen, brauchen Sie ihn. Ohne ihn ist kein Bauamt genehmigt. Und wenn Sie ihn ignorieren, riskieren Sie nicht nur Strafen - Sie gefährden das Leben Ihrer Familie.

Warum gibt es überhaupt einen Statik-Bericht?

Jedes Gebäude steht auf einem System aus Wänden, Bodenplatten, Balken und Säulen. Diese Elemente tragen nicht nur das Gewicht des Hauses selbst, sondern auch Menschen, Möbel, Schnee auf dem Dach, Winddruck und sogar Erdbebenlasten. Der Statik-Bericht prüft, ob diese Konstruktion das alles sicher aushält - über Jahrzehnte hinweg. Er ist kein bloßes Papier, sondern eine rechnerische Sicherheitsgarantie. Ohne ihn darf kein Gebäude errichtet werden, das ist in der Musterbauordnung (MBO) §61 klar geregelt. Und das gilt für ganz Deutschland, egal ob Sie in Lübeck, München oder Hamburg bauen.

Der Bericht besteht aus zwei Teilen: der Schriftstatik und den Statikplänen. In der Schriftstatik steht genau berechnet, wie viel Last jede Bauteilfläche tragen kann. Die Pläne zeigen, wo und wie Beton, Stahl oder Holz eingesetzt werden müssen - mit genauen Abmessungen, Bewehrungsdichten und Verankerungen. Diese Unterlagen werden vom Bauamt geprüft. Nur wenn sie stimmen, bekommen Sie die Baugenehmigung.

Wann ist ein Statik-Bericht Pflicht?

Die einfache Antwort: fast immer, wenn Sie bauen oder umbauen. Aber es gibt Nuancen. Bei einem Neubau ist er immer nötig - das ist klar. Schwieriger wird es bei Umbauten. Hier entscheidet, was genau Sie verändern.

  • Neubau: Immer. Ohne Statik-Bericht keine Baugenehmigung.
  • Erweiterung: Wenn Sie ein Stockwerk aufsetzen, eine Terrasse mit Dach oder einen Anbau anfügen - unbedingt nötig. Die neue Last muss in die bestehende Tragstruktur integriert werden.
  • Wanddurchbruch: Wenn Sie eine tragende Wand entfernen oder vergrößern, brauchen Sie einen Statiker. Selbst wenn es nur eine kleine Türöffnung ist. Nichttragende Wände sind oft leichter zu durchbrechen - aber wie wissen Sie, ob die Wand wirklich nicht trägt? Nur ein Statiker kann das mit Sicherheit sagen.
  • Dachsanierung: Wenn Sie das Dach neu decken, aber auch die Sparren oder die Dachkonstruktion verändern, ist ein Nachweis nötig. Schnee- und Windlasten sind heute strenger berechnet als vor 20 Jahren. Was früher ging, ist heute zu schwach.
  • Kellerausbau: Wenn Sie den Keller zu einer Wohnung umbauen und neue Wände einziehen, Lasten verändern oder die Decke belasten - Statik-Bericht erforderlich.

Was nicht nötig ist: Das Streichen einer Wand, das Einbauen eines neuen Badezimmers ohne Tragwerksänderung, das Austauschen von Fenstern in der gleichen Öffnung. Aber: Wenn Sie die Fensteröffnung vergrößern, ist es plötzlich wieder nötig. Die Grenzen sind fließend. Deshalb ist es besser, vorher zu fragen - als später zu bereuen.

Was passiert, wenn Sie den Bericht ignorieren?

Viele denken: "Ich baue doch nur klein um. Wer kontrolliert das schon?" Tatsächlich: Die Kontrolle kommt - meistens, wenn es zu spät ist.

Wenn Sie ohne Statik-Bericht bauen, kann das Bauamt den Bau sofort stoppen. Sie zahlen Strafen, müssen alles rückgängig machen - und verlieren Zeit und Geld. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Schlimmer ist, was danach passiert.

Ein Nutzer aus Hamburg berichtet: Er hat eine tragende Wand im Erdgeschoss entfernt, um eine offene Küche zu bauen. Zwei Monate später zeigten sich Risse im Außenputz. Die Nachbarn klagten, weil ihre Wand auch Risse bekam. Die Sanierung kostete 4.200 Euro - mehr als ein Statik-Bericht je gekostet hätte. Ein anderer Bauherr aus Stuttgart hat sein Dach ohne Prüfung umgebaut. Ein kalter Winter mit viel Schnee - und ein Sparren brach. Das Dach sackte ein. Glücklicherweise war niemand zu Hause. Die Versicherung weigerte sich zu zahlen: Kein Statik-Bericht, keine Haftung.

Und das ist kein Einzelfall. Laut der Industrie- und Handelskammer München waren in 78 Prozent der Baustellenunfälle der letzten fünf Jahre mangelhafte statische Berechnungen der Grund. Das ist keine Statistik - das ist eine Warnung.

Technische Querschnittsdarstellung eines österreichischen Hauses mit Lastpfaden und statischen Berechnungen.

Wer darf einen Statik-Bericht erstellen?

Nicht jeder Ingenieur kann das. Nur zugelassene Tragwerksplaner, die nach der HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) berechtigt sind, dürfen Standsicherheitsnachweise ausstellen. Das sind meist Bauingenieure mit Spezialisierung auf Tragwerksplanung. Sie arbeiten unabhängig vom Architekten - und das ist gut so. Sie prüfen objektiv, ob die Pläne tragfähig sind.

Einige Bauherren versuchen, den Bericht selbst zu erstellen - mit Online-Tools oder Vorlagen aus dem Internet. Das ist riskant. Statik ist kein DIY-Projekt. Die Berechnungen beruhen auf DIN-Normen, die sich je nach Bundesland und Material unterscheiden. In Bayern gelten strengere Regeln für Schulen und Krankenhäuser. In Nordrhein-Westfalen ist ab 15 Metern Gebäudehöhe ein Prüfstatiker Pflicht. In Bayern ist die Grenze bei 20 Metern. Wer das nicht kennt, macht Fehler - und die werden teuer.

Kosten: Was kostet ein Statik-Bericht?

Ein Statik-Bericht ist kein billiges Extra. Aber er ist eine Investition - und keine Ausgabe. Für ein einfaches Einfamilienhaus liegen die Kosten zwischen 1.500 und 3.500 Euro. Das hängt von der Komplexität ab: Wie viele Etagen? Welche Materialien? Wie stark verändert sich die Tragstruktur? Die HOAI legt die Honorare genau fest - es gibt keine willkürlichen Preise.

Was viele nicht wissen: Diese Kosten sind Baunebenkosten. Sie sind nicht im Rohbau enthalten. Sie müssen extra budgetiert werden. Wer das vergisst, hat später ein Problem. Einige Bauunternehmer versuchen, den Statik-Bericht zu streichen, um das Angebot günstiger zu machen. Das ist ein roter Faden. Vertrauen Sie nicht auf zu günstige Angebote - sie sind oft ein Zeichen dafür, dass jemand die Sicherheit opfert.

Im Vergleich: Ein fehlerhafter Umbau kostet oft 10.000 bis 20.000 Euro - und bringt Ihnen keine neue Wohnung, sondern einen Baustopp, einen Rechtsstreit und einen kaputten Wohnraum.

Digitales 3D-Modell eines Hauses mit rot markierten Belastungspunkten und digitaler Sicherheitsüberprüfung.

Wie läuft die Erstellung ab?

Die beste Zeit, einen Statiker einzubinden, ist bevor der Architekt die Pläne fertig hat. Wenn Sie den Statiker erst nach der Architekturplanung hinzuziehen, müssen oft Änderungen gemacht werden - das kostet Zeit und Geld.

So läuft es ab:

  1. Sie besprechen Ihr Vorhaben mit einem Statiker - telefonisch oder vor Ort.
  2. Sie stellen ihm alle Unterlagen zur Verfügung: Lageplan, Baupläne, Bodenuntersuchung, Nutzungsplan.
  3. Der Statiker prüft die Tragfähigkeit und berechnet die Lasten.
  4. Er erstellt den Statik-Bericht mit Schriftstatik und Plänen.
  5. Sie reichen den Bericht beim Bauamt ein.
  6. Das Bauamt prüft ihn - meist innerhalb von 2-4 Wochen.

Die Bearbeitungszeit liegt bei einfachen Projekten bei 10-14 Tagen. Bei komplexen Bauten kann es bis zu vier Wochen dauern. Die größte Verzögerungsursache? Unvollständige Unterlagen. 68 Prozent der Bauherren liefern nicht alle Unterlagen - und das verzögert alles. Stellen Sie sicher: Lageplan vom Amt, Bodenuntersuchung, Brandschutznachweis, Wärmeschutznachweis - alles vorher bereit.

Was ändert sich 2025 und danach?

Die Statik wird digital. Seit Januar 2025 verlangen 12 von 16 Bundesländern den Statik-Bericht im BIM-Format - also als digitales 3D-Modell, nicht als PDF. Das bedeutet: Der Statiker arbeitet mit Software, die alle Bauteile abbildet. Fehler werden früher erkannt. Die Fehlerquote sinkt um 31 Prozent.

Ab 1. Juli 2025 steigt das Honorar für digitale Statik-Berichte um 8,5 Prozent - weil der Aufwand größer ist. Aber das ist kein Nachteil für Sie. Digitale Berichte sind genauer, schneller prüfbar und lassen sich später leichter für Sanierungen nutzen.

Und das ist nur der Anfang. Das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG) ab 2026 macht auch bei Sanierungen strengere statische Anforderungen. Wenn Sie ein altes Haus energetisch sanieren - neue Dämmung, neue Fenster, neue Außenwände - dann verändert sich das Gewicht, die Lastverteilung. Ein Statik-Bericht wird dann oft nötig, obwohl Sie nur "einfach dämmen" wollten.

Und die Nachfrage wächst: 42 Prozent der deutschen Wohngebäude sind älter als 40 Jahre. Ihre Tragwerke sind nicht für moderne Lasten ausgelegt. Die Deutsche Gesellschaft für Statik und Dynamik prognostiziert bis 2030 einen Anstieg der Nachfrage um 22 Prozent - vor allem durch Sanierungen.

Was tun, wenn Sie unsicher sind?

Wenn Sie nicht wissen, ob Ihr Vorhaben einen Statik-Bericht braucht: Fragen Sie. Nicht beim Bauunternehmer. Nicht beim Architekten. Fragen Sie einen unabhängigen Tragwerksplaner. Ein kurzes Gespräch kostet meist nur 50-100 Euro - und erspart Ihnen Tausende.

Ein Statiker sagt Ihnen: "Ja, das geht ohne Bericht." Oder: "Nein, das ist riskant. Hier brauchen wir eine Berechnung." Und das ist der Unterschied zwischen einem sicheren Haus und einem Risiko.

Ein Nutzer aus Lübeck, der vor drei Jahren ohne Statik eine Wand durchbrochen hat, sagt heute: "Ich hätte lieber 2.000 Euro für einen Statiker ausgegeben als 4.200 Euro für die Reparatur. Und ich hätte nicht so lange Angst gehabt, wenn ich nachts ein Knacken gehört hätte."

Ein Statik-Bericht ist keine Hürde. Er ist Ihr Schutz. Er ist der Grund, warum Ihr Haus morgen noch steht - und übermorgen auch.

Marlene Wiesner

Marlene Wiesner

Ich bin Tischlerin mit über 20 Jahren Erfahrung und spezialisiere mich auf Innentüren. Neben meiner handwerklichen Tätigkeit schreibe ich leidenschaftlich gerne über meine Projekte und teile Tipps und Tricks.

Tischlerei Innentüren Einblick