Energie-Contracting in Mehrfamilienhäusern: Modelle, Kosten und Risiken erklärt
19 Nov
von Marlene Wiesner 0 Kommentare

Stell dir vor, dein Mehrfamilienhaus bekommt eine neue, klimafreundliche Heizung und Solaranlage - ohne dass du einen Cent dafür ausgeben musst. Keine Baustelle, keine Finanzierungspläne, keine Wartungskosten. Das klingt wie ein Traum? Ist es aber nicht. Das ist Energie-Contracting - und es läuft in Hunderten deutschen Wohnanlagen bereits heute.

Was ist Energie-Contracting wirklich?

Energie-Contracting ist kein Zaubertrick, sondern ein kluges Geschäftsmodell. Ein externer Dienstleister, der Contractor, übernimmt alles: Planung, Finanzierung, Installation und Betrieb von Energieanlagen wie Solarstrom, Blockheizkraftwerken oder Wärmepumpen. Du als Gebäudeeigentümer oder Wohnungsgesellschaft zahlst nicht für die Anlage, sondern nur für die Energie, die du verbrauchst. Der Contractor wird Eigentümer der Anlage - und trägt das Risiko, wenn etwas schiefgeht.

Diese Modelle sind besonders für Mehrfamilienhäuser ideal. Warum? Weil dort viele Nutzer zusammenkommen, die Energie effizienter nutzen können. Ein einzelnes Einfamilienhaus macht das kaum wirtschaftlich. Aber ein Haus mit 10, 20 oder 50 Wohnungen? Da lohnt sich die Investition - und der Contractor weiß genau, wie er sie rentabel macht.

Die drei Hauptmodelle im Überblick

Nicht jedes Contracting ist gleich. Es gibt drei gängige Formen, die sich stark unterscheiden:

  • Energieliefer-Contracting (ELC): Der Contractor baut und betreibt die Anlage, liefert Strom und Wärme direkt an die Mieter - und verrechnet das als Festpreis. Der Mieter zahlt nicht an den Stromversorger, sondern an den Contractor. Das ist das am häufigsten genutzte Modell. Beispiel: Ein Haus in Tübingen mit 160 Wohnungen und 230 kWp Solaranlage auf dem Dach. Der Contractor verkauft den Solarstrom an die Mieter - und speist den Überschuss ins Netz.
  • Betriebsführungs-Contracting: Hier übernimmt der Contractor nur den Betrieb und die Wartung. Die Mieter beziehen den Strom weiterhin von ihrem üblichen Lieferanten - aber über eine eigene Marke, etwa "Quartier-Strom". SOLARIMO macht das für die GEWOBAG in Berlin-Lichtenberg mit 678 Wohnungen. Die Mieter spüren kaum einen Unterschied, aber die Anlage ist modern und effizient.
  • Einspar-Contracting (ESC): Der Contractor verspricht, die Gesamtenergiekosten des Gebäudes um einen festen Prozentsatz zu senken. Er modernisiert die Dämmung, tauscht Fenster aus, installiert eine neue Heizung - und trägt das Risiko: Wenn die Einsparung nicht erreicht wird, zahlt er selbst drauf. Das ist das risikoreichste Modell für den Contractor, aber das sicherste für den Eigentümer.

Was kostet das - und wer zahlt was?

Viele denken: Wenn der Contractor alles bezahlt, warum zahle ich dann überhaupt? Ganz einfach: Du zahlst nicht für die Anlage, sondern für die Energie, die du verbrauchst. Der Preis setzt sich aus mehreren Teilen zusammen: die Kosten für Planung, Finanzierung, Installation, Wartung und den Gewinn des Contractors. Das macht den Preis höher als ein normaler Gasvertrag - aber niedriger als der aktuelle Marktpreis für Strom und Wärme.

Ein Beispiel: Ein Mieter in einem Haus mit Energieliefer-Contracting zahlt 18 Cent pro kWh Strom - statt 32 Cent vom lokalen Anbieter. Die Wärme kostet 7 Cent pro kWh statt 10 Cent mit Öl. Der Contractor macht seinen Gewinn, der Mieter spart - und der Gebäudeeigentümer hat keine Investitionskosten mehr. Nach 15 Jahren ist die Anlage oft komplett abgezahlt. Dann übergeht sie in das Eigentum der Wohnungseigentümer - und die Energiekosten sinken noch weiter.

Drei grafische Modelle des Energie-Contracting: Energielieferung, Betriebsführung und Einsparung, klar strukturiert und technisch dargestellt.

Photovoltaik und Mieterstrom: Die neue Normalität

Photovoltaik auf Mehrfamilienhäusern ist heute kein Luxus mehr - sondern Standard. Doch viele Eigentümer scheuen sich, weil sie glauben, sie müssten die Anlage selbst finanzieren. Mit Mieterstrom-Contracting ist das nicht nötig.

Naturstrom, Eon oder andere Anbieter haben spezielle Verträge für Wohnanlagen entwickelt. Sie installieren die Solaranlage, verkaufen den Strom an die Mieter und regeln die Abrechnung. Die Mieter bekommen einen eigenen Vertrag - oft mit 10-15 % Rabatt. Der Vorteil? Sie tragen keine Investitionskosten, haben einen sicheren, lokalen Strombezug und unterstützen die Energiewende direkt vor der Haustür. Kein Umweg über das öffentliche Netz. Kein "Grüner Strom" aus dem Ausland. Nur Sonne aus dem eigenen Dach.

Blockheizkraftwerk (BHKW): Effizienz mit Mehrwert

Ein BHKW erzeugt gleichzeitig Strom und Wärme - und das mit einer Effizienz von über 90 %. Das ist deutlich besser als ein klassischer Gasboiler, der nur Wärme macht und Strom vom Netz holt. Aber BHKW sind teuer - und komplex zu warten.

Genau hier kommt das BHKW-Contracting ins Spiel. Der Contractor liefert das Gerät, installiert es, betreibt es und sorgt für Wartung. Der Eigentümer zahlt nur für die Wärme und den Strom, die er verbraucht. Das lohnt sich nur in Gebäuden mit hohem und konstantem Energiebedarf - also Mehrfamilienhäuser, Krankenhäuser oder Hotels. Ein Einfamilienhaus? Zu wenig Verbrauch. Ein Haus mit 20 Wohnungen? Perfekt.

Ein BHKW in einem 15-Wohnungen-Haus in Lübeck spart pro Jahr rund 12 Tonnen CO₂ und 18.000 Euro an Energiekosten. Der Contractor hat die Anlage in 12 Jahren amortisiert. Danach ist die Wärme fast kostenlos - und der Mieter zahlt weiterhin nur den vertraglich festgelegten Preis.

Rechtliche Fallstricke: Was Mieter und Eigentümer wissen müssen

Ein wichtiger Punkt: Ein einzelner Mieter kann keinen Contracting-Vertrag abschließen. Das ist keine Einzelfrage - das ist eine Entscheidung der Gesamtgemeinschaft. Bei Mietwohnungen muss der Vermieter zustimmen. Bei Wohnungseigentum (WEG) braucht es eine Mehrheit der Eigentümer.

Und hier kommt die Wärmelieferverordnung ins Spiel. Wenn der Vermieter von einer zentralen Heizung auf einen Contracting-Wärmelieferanten umstellt, darf er die Betriebskosten im ersten Jahr nicht erhöhen. Danach darf er nur die tatsächlichen Kosten umlegen - und muss sie transparent nachweisen. Das ist ein wichtiger Schutz für Mieter. Aber viele Vermieter ignorieren das. Achte darauf: Wenn dein Heizkostenabrechnung plötzlich um 30 % steigt, ohne dass du etwas geändert hast, frage nach - und prüfe, ob die Verordnung eingehalten wird.

Übergabe einer energieeffizienten Anlage an Mieter und Vermieter, mit Blockheizkraftwerk im Hintergrund und CO2-Einsparanzeige.

Was ist das größte Risiko?

Das größte Risiko ist nicht die Technik. Es ist die falsche Wahl des Contractors.

Ein schlechter Contractor verspricht viel, liefert wenig. Er nutzt billige Komponenten, vernachlässigt die Wartung, oder versteckt Kosten in den Feinheiten des Vertrags. Ein guter Contractor hat Referenzen, ist transparent in der Preisgestaltung und bietet klare Servicevereinbarungen - inklusive Notdienst und Ersatz bei Ausfall.

Frage immer nach: Wer ist der Hersteller der Anlage? Wie lange ist die Garantie? Wer macht die Wartung - und wie oft? Was passiert, wenn der Contractor insolvent wird? Ein guter Vertrag enthält eine Sicherung - etwa eine Bankbürgschaft oder eine Rückübertragungsklausel, die sicherstellt, dass die Anlage an die Eigentümer übergeht, wenn der Contractor verschwindet.

Warum lohnt sich das heute mehr denn je?

KfW-Effizienzhaus 55 ist kein Traum mehr - es ist erreichbar. Mit Contracting wird ein 30-jähriges Mehrfamilienhaus in ein modernes, klimaneutrales Gebäude verwandelt - ohne dass die Mieter ausziehen müssen. Die Anlagen sind leise, effizient und halten 20-25 Jahre. Und sie sind nicht abhängig von Gaspreisschwankungen.

Im Jahr 2025 ist Energie-Contracting kein Nischenmodell mehr. Es ist eine der effektivsten Wege, um den Bestand an Wohngebäuden klimafreundlich zu sanieren. Und es ist die einzige Lösung, bei der der Eigentümer nicht eine halbe Million Euro aufbringen muss - sondern einfach nur den Vertrag unterschreibt.

Was kommt als Nächstes?

Die Zukunft liegt in der Kombination: Solarstrom + Wärmepumpe + Batteriespeicher + Contracting. Ein Haus, das selbst produziert, speichert und nutzt - und das alles ohne Eigenkapital. Das ist kein Science-Fiction. Das gibt es heute in Hamburg, Stuttgart und auch in Lübeck.

Die Frage ist nicht mehr: "Kann ich mir das leisten?" Sondern: "Kann ich mir das nicht leisten?" Denn wer heute nicht umsteigt, zahlt morgen doppelt - für alte Heizungen, hohe Energiepreise und teure Sanierungen, die dann doch nötig werden.

Kann ich als Mieter einen Energie-Contracting-Vertrag abschließen?

Nein, als Mieter kannst du keinen Vertrag direkt abschließen. Der Vertrag liegt immer bei den Gebäudeeigentümern oder der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Du profitierst indirekt durch niedrigere Energiekosten und modernere Anlagen, aber die Entscheidung liegt bei den Vermietern oder Eigentümern.

Wie lange läuft ein Energie-Contracting-Vertrag?

Die meisten Verträge laufen zwischen 10 und 20 Jahren. Danach kann er verlängert werden - oder die Anlage wird an die Eigentümer übergeben. In vielen Fällen ist die Anlage dann komplett abgezahlt, und die Energiekosten sinken deutlich.

Was passiert, wenn der Contractor pleitegeht?

Ein guter Vertrag enthält eine Sicherung - etwa eine Bankbürgschaft oder eine Rückübertragungsklausel. Die Anlage bleibt im Eigentum des Contractors, aber sie muss an die Eigentümer übergehen, wenn er nicht mehr existiert. Ohne diese Klausel riskierst du, dass die Anlage stillgelegt wird - und du wieder auf teure, alte Systeme angewiesen bist.

Ist Energie-Contracting für kleine Wohnanlagen sinnvoll?

Ja, ab etwa 8-10 Wohnungen wird es wirtschaftlich. Kleinere Anlagen haben höhere Kosten pro Wohnung, aber viele Contractor bieten spezielle Pakete für kleinere Gebäude an. Wichtig ist: Die Energieverbrauchskurve muss stabil sein - sonst lohnt sich die Investition nicht.

Wie erkenne ich einen seriösen Contractor?

Schau nach Referenzen, prüfe, ob er Mitglied im Bundesverband Energie-Contracting ist, und verlange eine detaillierte Kostenaufstellung. Frag nach Garantiezeiten, Wartungsintervallen und dem Hersteller der Anlagen. Ein seriöser Contractor gibt dir alle Unterlagen auf Wunsch - und antwortet klar und ohne juristische Verwirrung.

Marlene Wiesner

Marlene Wiesner

Ich bin Tischlerin mit über 20 Jahren Erfahrung und spezialisiere mich auf Innentüren. Neben meiner handwerklichen Tätigkeit schreibe ich leidenschaftlich gerne über meine Projekte und teile Tipps und Tricks.

Tischlerei Innentüren Einblick